Der Sparstrumpf als Totschläger

Im heutigen Tagesspiegel schreibt Frederik Hanssen über Kürzungen in den Kultur-Haushalten von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und die Nöte, in die davon betroffene Theater dadurch geraten sind. Weiter berichtet Hanssen von „kreativen Ideen“ z. B. von Mitarbeitern des Anhaltischen Theaters in Dessau, die sich vom Dach des Theaters an dicken Tauen herabgelassen haben, um anschließend das Theater mit eben diesen Tauen in der Stadt zu „verankern“.

Damit legt Hanssen, wohl ohne es zu wollen, den Finger in die Wunde. Denn es ist ja die mangelnde Verankerung der Theater im täglichen gesellschaftlichen Diskurs, im Alltag der Bürger, die Politiker überhaupt erst auf die Idee kommen lässt, Hand an de Theater-Haushalte zu legen. Schauen wir doch einfach mal die Zahlen an: In Sachsen-Anhalt sollen ca. 6 Millionen Mittel für die Theater gekürzt werden. Der Gesamthaushalt des Landes beträgt ca. 10 Milliarden Euro, da sind 6 Millionen eine zu vernachlässigende Summe, ein Wassertropfen, das verdunstet ist, bevor es den heißen Stein erreicht hat. Wer richtig sparen will, muss an andere Haushalte Hand anlegen.

Aber Sparzwänge in der Kultur sind eine willkommene Möglichkeit für einen Kulturpolitiker, sich zu profilieren. Er muss sich nur entscheiden: Verteidige ich den Theater-Bimbes wie ein Löwe seine Junge oder lese ich den Damen und Herren Künstlern die Leviten, dass sie verantwortungsvoller mit den Steuergeldern umgehen sollen? Die Entscheidung fällt – wie mittlerweile immer in der Politik – rein nach populistischen Gesichtspunkten. Bei einem tatsächlich in der Stadt verankerten, von seinen Bürgern geliebten und mit getragenen Theater wird der Löwen-Modus aufgerufen, wenn das Theater die Bürger nicht mehr erreicht, die Platzauslastung sinkt, die Öffentlichkeit die künstlerischen Linie skeptisch beäugt… dann wird der prall gefüllte Sparstrumpf zum Totschläger gemacht.

Was die Theater anbelangt ist Kulturpolitik längst Symbolpolitik: die Summen sind niedrig, die Relevanz der Theater ist niedrig, die Aufmerksamkeit, die man erringen kann, wenn man auf die Künstler einprügelt, ist maximal. Ob es aber sinnvoll ist, mit Symbolen (die Taue..) auf Symbolpolitik zu reagieren?

Das Publikum interessiert sich nicht für Leute, die sich Symbole um die Ohren hauen. Die Menschen begeistern sich für Menschen, die sie Ernst nehmen. Die sie begeistern wollen.