Für ein paar Euro…

Vor ein paar Tagen habe ich von Abmahnungen gegen Künstler erzählt, die Rezensionen auf ihren Homepages veröffentlichten. Was das Urheberrecht anbetrifft, sind die Abmahnenden hier zweifellos im Recht, jedoch kündigen Sie damit ein jahrhunderte altes „Gentleman’s Agreement“ zwischen Künstlern und Feuilleton auf, denn bisher wurde ja die Verwendung von Rezensionen durch Theater und Künstler geduldet, sie wahr schlichtweg eine Selbstverständlichkeit.
„Nuja, Schauspieler, Musiker…“, denkt sich der weltgewandte Erfolgsschriftsteller oder -verleger. „Die haben ja eh keine Ahnung…“ Und fischt alsbald selbst eine Abmahnung aus dem Briefkasten, weil er auf seiner Homepage aus einer Rezension eines seiner Bücher zitiert hat. Vielleicht hat sein Verlag bei amazon auch ein paar Pressezitate eingestellt (da gibt’s ja beim Editieren des Amazon-Auftritts extra eine Rubrik, wo man das machen kann). Das kann ab sofort teuer werden, wie ich diesem buchreport-Beitrag entnehmen muss:
Der Börsenverein des Buchandels fordert Verlage und Buchhändler auf, Buchrezensionen und Zitate aus denselben, für die sie bei den Rechteinhabern keine Lizenzen erworben haben, von ihren Webseiten zu entfernen. Was so ziemlich auf die meisten Internetauftritte von Autoren, Verlagen und Buchhändlern zutreffen dürfte. Wer hat denn bisher eine Lizenz erworben, wenn er aus einer Kritik über das eigene Buch zitiert hat? Das war doch eine Selbstverständlichkeit…
…wie es bei Theater- und Konzertkritiken auch mal war. Die Karten werden neu gemischt, weil einer der Mitspieler, der Zeitungsverlag, am Tropf hängt. Die FAZ hat vor einem Jahr einen Online-Buchhändler auf 35.000 (!) Euro Schadensersatz verklagt, weil er Rezensionsausschnitte verwendet hat, das Urteil soll am 4. Oktober gesprochen werden, und im Buschfunk wurde getrommelt, dass das Gericht der FAZ zuneigt.
Die FAZ scheint sich eine neue Einnahmequelle erschließen zu wollen, zerstört dabei aber nachhaltig das Geschäftsmodell der meisten Verlage, die auf Gratis-PR und Gratis-Werbung durch kostenlose Rezensionen setzten… Wobei… waren bzw. sind diese Rezensionen wirklich kostenlos? Rezensionsexemplare en masse (die von vielen Journalisten z. T. ungeöffnet auf Ebay weiterverkauft wurden), Empfänge mir Sekt und Schnittchen, Freikarten für Buchpremieren und Lesungen… soooo kostenlos waren bzw. sind Rezensionen wirklich nicht.
Aber lassen wir die Canapés und den Söhnlein mal beiseite: Wo sollen denn die Verlage und/oder die sich selbst vermarktenden Autoren das Geld für die Lizenzen hernehmen? So groß ist der Verlagsanteil an den Bucheinnahmen nicht, dass Geld eine endlose Ressource wäre, mit der man auch noch das Feuilleton finanzieren kann. Insbesondere für kleine und kleinste Verlage werden Lizenzen zur Verwendung von Rezensionen wohl nicht zu stemmen sein. Damit bricht ihnen die wichtigste Möglichkeit weg, auf sich aufmerksam zu machen, die können den Laden wohl dicht machen.
Was mich extrem verwundert: Buchbranche und Feuilleton haben sehr lange Zeit höchst gedeihlich zusammengearbeitet. Wie skrupellos und bekloppt muss man eigentlich sein, um Freunden wegen ein paar Euro ohne Umschweife den Krieg zu erklären und sie sich zu Feinden zu machen.
Außerdem – und das könnte noch sehr schwer wiegen – setzen die Verlage erneut ihre journalistische Unabhängigkeit aufs Spiel. Man wird genau beobachten müssen, ob die Zahl der negativen Kritiken im Feuilleton der FAZ nicht künftig deutlich zurückgeht. Verrisse werden nicht zitiert, die bringen keine Lizenzen…