„Kaufmännisch unattraktiv“

Alltag für mich: Ein interessierter Leser oder ein Autor, der mit uns zusammenarbeitet, beschwert sich bei mir, er habe bei der Buchhandlung XYZ in Jottwehdeh eins unserer Bücher kaufen wollen, dort habe man ihn beschieden, das Buch „gäbe es nicht“, es „sei nicht lieferbar“ oder „man könne es nicht bestellen“. Ich rufe dann regelmäßig bei XYZ an, lasse mich mit dem Geschäftsführer verbinden und frage, warum er denn einen Kunden für dumm verkauft bzw. zulässt, das seine Verkäufer ihn für dumm verkaufen. Natürlich hätte er das Buch bestellen können, über Sortimenter wie libri oder Umbreit oder direkt bei uns.

Die Antwort ist immer die gleiche: „Ein einzelnes Buch bei einem Kleinverlag bestellen, das lohnt sch für uns nicht.“ Der Aufwand sei zu groß: Bestellung aufgeben, in Empfang nehmen, einsortieren, Buchungsvorgang, das rentiert sich nicht bei einer Marge von 30 Prozent, die er als Buchhändler bekommt. Mein Hinweis auf die Bestellmöglichkeit beim Großhandel wird regelmäßig mit „Bei den meisten Kleinverlagen geht das nicht. Wir versuchen dann eben, ein thematisch ähnliches Buch zu verkaufen.“ gekontert.

Ähnliches schreibt die Buchhändlerin Martina Bergmann im Buchreport-Blog in den Kommentaren zu ihrem Beitrag „Beliebigkeit verkauft sich nicht“: „Einzeltitel aus Kleinverlagen zu beschaffen, ist kaufmännisch unattraktiv.“ Es ehrt Frau Bergmann, dass sie im nächsten Satz schreibt, dass ihre Buchhandlung trotzdem bei Kleinverlagen ordert, doch die Haltung ist bezeichnend. Die meisten Buch-Autoren (und die Mitarbeiter von Kleinverlagen) verbringen ihr ganzes Leben damit, Dinge zu tun, die kaufmännisch unattraktiv sind. Die fühlen sich von einem solchen Verhalten ganz unkaufmännisch geohrfeigt. Zumal Buchhändler von den Werken derer leben, die kaufmännisch unattraktive Dinge tun.

Buchhändler pochen gern auf ihre Beratungskompetenz und sehen sich als letztes Bollwerk, dass die Freiheit der Literatur gegen die übermächtige Krake amazon verteidigen. Wenn das stimmen würde, müsste es dem Buchhandel ja eigentlich ein Anliegen sein, auf Kundenwünsche einzugehen, Bücher auch aus Kleinverlagen klaglos zu bestellen und sich selbst Gedanken darüber zu machen, wie man das ganze kaufmännisch attraktiver gestalten kann.

Wenn man den vollkommen legitimen Wunsch eines Kunden nach einem bestimmten Buch nicht erfüllen mag, ihn aus Bequemlichkeitsgründen gegebenenfalls auch noch anschwindelt… dann kommt man eben nicht als beratungskompetentes Bollwerk rüber, sondern als mauliger Ex-Monopolist, der weiterhin davon leben möchte, ausschließlich die Bestsellerliste anstrengungslos über den Tresen zu schieben.

Dies mal nur als Denkanstoß.