Wichtig ist nicht nur am Schreibtisch…

Man muss Matthias Matussek nicht mögen, nun wirklich nicht. Man muss ihn ebensowenig rundheraus ablehnen. Ich zum Beispiel bin eher zwiegespalten: Ich schätze Mattusek als Journalisten, der ein paar wirklich große Texte geschrieben hat. Mit dem reflexhaft daherpolternden Talkshow-Matussek, der nicht mehr zuhört, sondern nur noch die Stichworte abwartet, auf die hin er seine übliche Show abspulen kann, kann man mich jagen, da kommt mir mittlerweile das Kotzen. Mattussek ist also eine polarisierende Persönlichkeit, und man kann davon ausgehen, dass er es gern ist. Matussek ist – das müssen auch die Menschen, die ihn ablehnen, ihm zugestehen – ein Journalist, der den Kulturjournalismus hierzulande in den letzten zwanzig Jahren geprägt hat wie nur wenige andere.

Matussek verlässt jetzt den Spiegel und geht zur Welt. Aus diesem Anlass hat er „The European“ ein sehr, sehr lesenswertes Interview gegeben, dass ich jedem Menschen ans Herz lege, der journalistisch arbeitet beziehungsweise eine Karriere im klassischen Journalismus anstrebt. Matussek gibt hier nämlich ganz nebenbei einen wichtigen Einblick in den Intrigantenstadl Redaktion, erzählt von Brüll-Duellen, Diadochenkämpfen, hinterrücks geführten Dolchstößen, heimtückischen Verrätern und, und, und…

Und er führt einem recht klar vor Augen, dass Machtkämpfe und Intrigenspiel zum Alltag der Autoren gehört, die im Umfeld von Redaktionen Erfolg haben wollten. Tatsache ist, ob es einem gefällt oder nicht: Die Kollegen, die sich am Schreibtisch verschanzen und meinen, dass sie sich über die Qualität ihrer Beiträge früher oder später quasi von selbst durchsetzen werden, dümpeln oft ein Leben lang unter „ferner liefen“ vor sich hin, während die Matusseks, die austeilen (und einstecken!), die ihre Ellbogen gebrauchen und sowohl ihre Schreib- als auch ihre Intrigantenkünste mit ins Spiel bringen, im Rampenlicht stehen.

Wie gesagt, man muss Matussek nicht mögen. Wirklich nicht. Man kann aber von ihm lernen. Von dem Schreiber, und von dem Beherrscher der dunklen Künste. Dieses knochentrockene Nachtreten, dass er im oben verlinkten Interview gegen den Kollegen v. U. demonstriert, das muss man erstmal draufhaben…

Nachtrag: Matusseks „Einstand“ in der „Welt“ ist gerade online gegangen. Er trinkt mit Martin Mosebachs reichlich Mosel, schwadroniert übers Schreiben und den Katholizismus und tritt in der Exposition kurz, heftig und treffsicher gegen die ehemaligen SPIEGEL-Kollegen nach. q.e.d.

2 Gedanken zu „Wichtig ist nicht nur am Schreibtisch…

  1. Mit MM meinst du Matussek und nicht Mosebach? Wenn ja, dann war für mich in Matusseks Interview mit dem European nur die Tatsache überraschend, dass er sich bei “Spiel mir das Lied vom Tod” von Robard’s Tod ergreifen lässt (ich dachte, er würde den ganzen Weg gehen und sich als Fonda-Fan outen). Ansonsten, ja, es geht ums Nachtreten, das hab ich lange nicht so gut gelesen wie hier, das Zähneknirschen aus der Brandstwiete sollte man noch in Fuhlsbüttel hören. Ich find das gut, dass einer die Ärmel aufkrempelt, mit offenem Visier zuschlägt und Feindschaften pflegt. Passiert viel zu wenig im blutarmen Feuilleton, und von daher ist dieses Interview für mich neu und aufschlussreich.

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