Aufgekündigt

Das Landgericht München hat entschieden: Internetbuchhändler buch.de darf in seinem Online-Buchshop keine Rezension der FAZ veröffentlichen, ohne dafür eine Lizenz zu erwerben. Die FAZ hatte buch.de verklagt und hat nun ein Urteil erstritten, dass nachhaltige Folgen für die gesamted Branche haben wird. Vermutlich negative.

Aus rechtlicher Sicht war die Sache schon lange vor dem Urteilsspruch klar: Natürlich ist eine Buchrezension ein eigenständiges Werk und damit urheberrechtlich geschützt. Natürlich hat die FAZ die Nutzungsrechte an den bei ihr erschienen Rezensionen (sofern sie keine anders lautenden Verträge mit ihren Autoren abgeschlossen hat). Natürlich verstoßen Buchhändler, Verlage und Künstler gegen dieses Recht, wenn Sie die Rezensionen verwenden um für sich bzw. für ihre Werke zu werben.

Sie tun das übrigens seit mehr als 100 Jahren. Es war ein unbeschriebenes Branchengesetz, dass die Zeitungsverlage ihr Nutzungsrecht gegenüber Verlagen, Buchhändlern und Künstlern nicht durchsetzen. Eigentlich logisch: Die Künstler liefern mit Ihren Werken dem Feuilleton ja den Anlass für die Berichterstattung. Ohne neues Buch keine Rezension, ohne neue Aufführung keine Theaterkritik, ohne neue Kunstwerke keine Kunstkritik usw.

So haben lange, lange Jahre Buchverlage, Zeitungsverlage, Buchhändler, Theater, Autoren, Schauspieler, Musiker, Sänger, bildende Künstler und waswweißichdennnichtnochwer in Eintracht Kultur produziert und teilweise nicht schlecht daran verdient. Welcher Teufel mag die FAZ geritten haben, dieses Miteinander aufzukündigen?

Man kann nur spekulieren, aber es wird die Print-Krise sein. Die Auflagen gedruckter Zeitungen sinken rapide, die Werbeeinnahmen gehen dramatisch zurück, die nächsten Pleiten drohen… da greift man wohl nach jedem Strohhalm, um noch ein paar müde Euros zu verdienen. Wobei den Leuten der FAZ klar sein wird, dass sie Verlagen und Buchhändlern gerade ihr wichtigstes Marketing-Instrument weggenommen haben, um es ihnen teuer wieder zu verkaufen. Kann durchaus sein, dass das die Erosion des Verlags- und Buchhandelsgeschäfts beschleunigt, vielleicht bekommt die FAZ schneller als sie denkt, Probleme, den Kulturteil vollzukriegen.

Wer darf sich freuen, außer der FAZ? Natürlich amazon. Die haben mit ihren Leserrezensionen ein funktionierendes Gegen-Pulp-Feuilleton komplett mit Intrigen und Hahnenkämpfen installiert, die können ganz gelassen weiter Bücher verkaufen, zusehen wie sich die Konkurrenz zerfleischt und sehen, was die Zukunft bringt.

Die könnte ganz spannend werden. Ob die Verlage die Pfeile für einen Gegenschlag schon im Köcher haben? Die haben ja auch ein paar Dinge, die sich lizensieren lassen… Und außerdem sagt das Münchner Urteil ja noch nichts über die Höhe des Schadens aus, der der FAZ durch die missbräuchlichen Zitate auf buch.de entstanden ist. Würde mich doch mal sehr interessieren, wie hoch ein deutsches Gericht den Wert einer Buchrezension einschätzt. Oder den einer vor Jahresfrist erschienen Theaterkritik, deren Gegenstand schon längst wieder vom Spielplan verschwunden ist.