Der beste Schreibtipp aller Zeiten

…stammt – meiner Ansicht nach – von Ernst Lubitsch. Der hatte 1936 den nach Hollywood emigrierten Billy Wilder als Drehbuchautor angestellt, und nach einigen Wochen Arbeit übergab Wilder Lubitsch die erste Fassung eines Drehbuchs.

Lubitsch schlug das Buch auf und las den Anfang. Der erste Satz lautete sinngemäß: „Mr. Sowieso öffnet die Tür und betritt das Hotelzimmer.“ Lubitsch lachte herzlich und lange, rief „Köstlich! Ganz köstlich!“, klappte das Buch zu und gab es Wilder mit den Worten zurück: „Toller Anfang, aber du schreibst ihn bitte nochmal. Und diesmal kommt er durchs Fenster.“

Fenster

„Lubitsch-Touch“ vom Feinsten. Ich habe keine Ahnung, ob diese Anekdote wahr ist oder ob sie von einem der zahlreichen Lubitsch- oder Wilder-Biographen erfunden wurde, aber die erzählerische Weisheit, die hinter Lubitschs Vorschlag steckt, ist grandios: Ein Mann, der eine Tür öffnet und einen Raum betritt, ist banal, alltäglich, langweilig. Ein Mann, der durch ein Fenster in den gleichen Raum klettert, weckt sofort das Interesse der Zuschauer oder Leser: Ist das ein Einbrecher? Ob er wohl gleich entdeckt wird? Will er etwas stehlen? Oder hat er vielleicht nur seinen Schlüssel vergessen?

Durch einen simplen Kunstgriff ist die Szene sofort mit Emotionen aufgeladen, der Zuschauer oder Leser ergreift unwillkürlich Partei für oder gegen den Einbrecher, noch vor Beginn der Exposition ist der Zuschauer/Leser in der Geschichte drin und will wissen, wie es weitergeht.

Beinahe noch besser als die Einfachheit des Kunstgriffs ist seine Universalität: er ist tatsächlich auf jeden Text anwendbar. Ob Roman- oder Short-Story-Anfang, Sachtext, Reportage, (natürlich!) Drehbuch – stets kann (und sollte!) man sich fragen: Kommt jemand durch’s Fenster?

 

 

Foto von maaximal under CC-BY-ND 2.0